Die modernen Ernährungspyramiden aus Kanada & Belgien

Ernährungspyramiden sollen Verbrauchern eine leicht verständliche Orientierung geben, welche Nahrungsmittel für eine gesunde Ernährung konsumiert werden sollten. Übrigens, nicht jeder Staat gibt solche Ernährungsempfehlungen raus. Es sind mehrheitlich die Industrienationen, was auch schnell logisch erscheint. Viele dieser Ernährungsratgeber sind jedoch einige Jahre oder gar Jahrzehnte alt und entsprechen nicht mehr den heutigen Erkenntnissen. Teilweise auch, weil die Lobby für bestimmte Branchen und Wirtschaftszweige einfach zu groß ist. Die beiden Länder Kanada und Belgien haben wohl die stärksten Änderungen in den letzten Jahren vorgenommen. Allerdings ist das, was die Presse zum Teil mit klickfreudigen Überschriften in den Markt schreit, irreführend.

Kanada streicht Milch aus der Ernährungspyramide – NICHT!

Als großer Fan und Befürworter der veganen Ernährung, habe ich mich zugegeben selbst über diese Headline ein kleines bißchen gefreut. „Endlich!“ dachte ich mir. Doch so schön sie klingen mag, so falsch ist sie leider auch. Richtig ist, dass die kanadische Regierung einen deutlichen Fokus auf Gemüse und Obst gelegt hat. Die Hälfte der Ernährung sollte darauf basieren. Produkte auf Vollkornbasis bestimmen die nächsten 25% der Ernährung, während das letzte Viertel Proteine beinhaltet. Zwar empfiehlt Kanada vermehrt Proteine aus pflanzlichen Quellen wie Linsen, Samen, Nüsse und Bohnen zu essen, aber es stehen eben auch Milch, Joghurt und Käse in der Liste. Tierische Proteine in Summe nehmen nur eine deutlich untergeordnete Rolle ein, aber sie verschwinden eben nicht. Genauso empfohlen werden daher auch noch Fisch- und fettarme Fleischprodukte. Kurzum ist es also so, dass die Ernährungsempfehlung klar in Richtung pflanzenbasierter Kost geht. Falsch hingegen ist der Glaube, dass Kanada Milch verbietet oder gar zum „Land der Veganer“ mutiert. Dass große Medien solche News verbreiten oder solche Headlines in die Welt schreien, bleibt mir unverständlich. Aber die ganze Debatte um den heutigen Journalismus, dessen Erfolg anscheinend auf möglichst hohen Klickzahlen anstatt auf gut recherchierte Themen basiert, ist noch mal eine andere Geschichte.

Auch die belgische Ernährungspyramide hat sich den neuen Erkenntnissen angepasst

Die Grundlage bilden Gemüse & Obst, pflanzliche Proteine aus Linsen, Samen, Nüssen oder Soja-/Tofuprodukte, sowie Vollkornprodukte und gesunde pflanzliche Fette. Dabei wird auch darauf hingewiesen, dass gerade die Obst- und Gemüsemenge nicht von verarbeiteten Fertigprodukten mit Sahne oder Soßen stammen sollte. Zudem wird empfohlen maximal 100 g pro Tag an Fleisch, Fisch oder Eiern zu konsumieren. Im Jahr käme man da auf 36,5 kg, was etwa 2/3 des reinen Fleischkonsums in Deutschland entspricht. Die Gewichtsangabe ist dabei nicht pro Kategorie zu verstehen, sondern insgesamt. Gänzlich von abgeraten wird sehr deutlich von Produkten wie Alkohol, Limonaden, verarbeitete Fleisch-/ Wurstwaren, Fertiggerichten, Süßigkeiten und salzigen Snacks. Davon sollte so wenig wie möglich konsumiert werden, sprich, am besten gar nicht. An sich also ein Schritt zu mehr Gesundheit und einer geringeren Umweltbelastung.

Kritik: Ernährungspyramide vs. Lebensmittelkosten

Klar, können Regierungen Empfehlungen aussprechen, die eigene Ernährung primär auf frisches Obst & Gemüse, sowie Vollkornprodukte umzustellen. Nur so lange Fleisch- und Wurstwaren so günstig und häufig günstiger als Obst & Gemüse zu erhalten sind, wird die Befolgung der Ratschläge schwierig. Gerade Menschen, die ein geringes Haushaltsnettoeinkommen haben, greifen zu möglichst günstigen Produkten. Diese günstigen Produkte sind jedoch allzu oft Fertigprodukte, Wurstwaren, Süßes, Limonaden & Co. – also genau die Produkte, die sich an der Spitze der Pyramide befinden oder gänzlich aus der Ernährungsempfehlung ausgeschlossen sind. Klar, gerade Fertigprodukte bestehen zum Teil ja aus spottbilligen Geschmacksverstärkern, Aromastoffen, Füllstoffen und Stabilisatoren anstatt aus den teureren echten Lebensmitteln. Um wirklich eine Veränderung hervorzurufen, müssten die Preise im Supermarkt passend zur Ernährungspyramide gestaltet sein. Ein Angebotsflyer vom Februar 2019 einer kanadischen Supermarktkette bietet beispielsweise 1 lb Hackfleisch (ca. 453 g) für 2,88 Dollar und 18 oz Heidelbeeren (ca. 510 g) für 4,98 Dollar an. Nur ein Beispiel von vielen. Saisonale und regionale Lebensmittel ermöglichen zwar durchaus eine kosteneffiziente Ernährung mit frischen Lebensmitteln, aber gefühlt wissen das viele Leute einfach nicht. Da braucht es noch mehr Aufklärung, um auch die ganzen ernährungsbedingten Krankheiten einzudämpfen. Aber damit hat dann ja wiederum die Pharma-Industrie ein Problem mit, lässt sich doch mit den ganzen kranken Menschen so wunderbar Geld verdienen.

Fazit

Eigentlich gibt es mehrere Fazits zu dem Thema. Ich möchte niemandem zu nahe treten, aber gefühlt ist der Journalismus, insbesondere der großer Medienhäuser, nur noch auf klickstarke Headlines aus. Die überspitzten Aussagen werden immerhin zum Teil in den Artikeln selbst revidiert, aber in der heutigen Schnelllebigkeit nehmen viele Menschen nur noch Überschriften wahr. Selbst schuld? Sicherlich, aber ich sehe auch eine klare Verantwortung bei den Publishern. Dazu werde ich aber noch mal einen gesonderten Artikel schreiben.

Die Ernährungspyramiden aus Kanada und Belgien begrüße ich sehr. Das hat sicherlich auch stark subjektive Gründe, aber am Ende stützen sich die Pyramiden auf eine Vielzahl an Studien. Die Natur hat sich schon etwas dabei gedacht und gibt uns das, was wir brauchen. Wie immer macht die Dosis das Gift und etwas weniger Fleisch wird niemandem schaden, im Gegenteil. Die Massentierhaltung in den momentanen Dimensionen wirkt sich eben auch auf unser Klima aus. Nicht nur gesundheitliche Gründe sprechen also für einen deutlich gemäßigteren Fleischkonsum. Und nein, es ist Blödsinn zu glauben, dass wir tierische Proteine brauchen, erst recht nicht in den Massen. Mein Lieblingsbeispiel: Denkt an die Gorillas, die als fast reine Pflanzenfresser weniger als 1% ihrer Nahrung durch Insekten decken und trotzdem echte Muskelpakete sind. Auch wenn das Umdenken in Sachen Ernährung nur langsam geschieht, aber die beiden Regierungen setzen dabei ein wichtiges Zeichen. Die Welt wird den aktuellen, meist fleisch- und milchbetonten Lebensmittelkonsum westlicher Industrienationen nicht mehr lange verkraften.

Zu guter Letzt bleibt die Crux zwischen den Empfehlungen einerseits und den Preisen im Supermarkt andererseits. Stark zuckerhaltige und auch stark verarbeitete Produkte müssten besteuert; Gemüse, Obst, pflanzliche Proteinquellen und Vollkornprodukte subventioniert werden. Diese Verschiebung der Preise sollte sich zudem auch im Außer-Haus-Geschäft (insbesondere bei den einschlägigen Fast Food Ketten) widerspiegeln. Nur leider gibt es da ja die Milch-, Zucker und Fleischlobby, die leider ein viel zu großes Wort mitzusprechen hat.


Quellen:
https://food-guide.canada.ca/en/
http://www.fao.org/nutrition/education/food-dietary-guidelines/regions/countries/belgium/en/
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/36573/umfrage/pro-kopf-verbrauch-von-fleisch-in-deutschland-seit-2000/
http://www.flyerca.com/extra-foods-flyer-deals/

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