Stadt Land Food 2016

Das Stadt Land Food Festival fand nach 1-jähriger Pause nun zum zweiten Mal statt. Ein Glück, denn die Botschaft, die dieses Event kommuniziert ist wichtiger denn je. Es gab auch einen Erzeuger- und Street Food Markt, aber im ersten Teil werde ich den Fokus vor allem auf den bewussteren Umgang mit unserer Ernährung eingehen.

In Deutschland herrscht in vielen Köpfen immer noch die Billig- und Massen-Mentalität, gerade was den Konsum von Lebensmitteln angeht. Woher kommt das? Klar, die Discounter sind in kaum einem anderen Land so groß wie hier in Deutschland und befeuern die Annahme, dass Günstiges gut sei.

Aber der Ursprung liegt wahrscheinlich tiefer begraben. War es die Nachkriegszeit, in der man ja nichts hatte? Menschen, heute die Generation unserer Großeltern, hatten kaum Geld und mussten damit aber so viel Nahrung wie möglich besorgen, um die Familie durchzukriegen. Für mich sicherlich ein Ursprung für die vorherrschende „Discounter-Mentalität“.

Und wenn Lidl mich in ihrer aktuellen Kampagne vor die Wahl stellt, das teure Produkt einer Marke oder das günstige der Eigenmarke zu kaufen, findet die Argumentation lediglich über den Preis statt und wir drehen uns im Kreis. Denn so oder so stammen die angepriesenen Lebensmittel aus der Massenfertigung. Eben Masse statt klasse, wie man so schön sagt. Ob ich diese Produkte für mehr oder weniger Geld kaufen kann, ist mir aber vollkommen gleich, denn unterhalten sollten wir uns über etwas ganz anderes.

Das Stadt Land Food Festival & das Projekt „Wir haben es satt“ fordern unser Umdenken!

Das Event Stadt Land Food wurde von der Markthalle Neun initiiert, die sich in Berlin schon seit 5 Jahren für den bewussteren Umgang mit Essen & Trinken einsetzt. Über das Jahr verteilt, finden immer wieder Events statt, die zeigen, dass nachhaltig und handwerklich produzierte Lebensmittel nicht nur besser für den Konsumenten sind, sondern eben auch für die Erzeuger. Die Pressekonferenz zu Beginn machte dies noch mal deutlich.

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Ein Beispiel: Die Sache mit der Milchwirtschaft. 

Es kann nicht sein, dass Bauern 20 Cent pro Liter Milch erhalten, damit sie für 50 Cent im Supermarktregal stehen kann. Wie bitte soll da artgerechte Tierhaltung finanziert werden? Die Überproduktion ist übrigens auch kein rein deutsches Thema, sondern ein europäisches.

Durch den Wegfall der Milchquote in den 80er Jahren, fehlte die Regelung, die die Milchpreise hätte stabil halten können. Mittlerweile gibt es sogar 14 Cent für jeden Liter, der nicht produziert wird – dumm nur, wenn sich nicht alle daran halten und Bauern mit Massentierhaltung daraufhin mehr produzieren. In Summe ändert sich dann natürlich nichts an der Gesamtmenge. Der Gedanke mit den 14 Cent war nett, aber nicht zu Ende gedacht.

Apropos Massentierhaltung. Die Kühe bekommen Mais und Soja zu essen, anstatt Gras und Kräuter. Gerade Mais und Soja ist oft genmanipuliert und gelangt, neben der Masse an Antibiotika, in die Milch, die wir trinken. Lecker!
Aber es gibt noch eine andere Seite. Durch die riesigen Mengen Soja, die benötigt werden, wird z.B. der Regenwald abgeholzt. Der Lebensraum dortiger Menschen, Tiere und Pflanzen wird also für den Anbau von Soja zerstört – nein, nicht um Veganer satt zu kriegen, sondern Tiere aus Massentierhaltung.
Um das noch mal zu wiederholen: Riesige Flächen Regenwald werden abgeholzt, um die Kühe mit Soja zu ernähren, um widerum Milch zu produzieren, die wir nicht brauchen… Geht’s noch? Das ist doch grenzlos absurd!

Auch die Genossenschaftsmolkereien, die als Zusammenschluss einzelner Bauern gut gedacht waren, haben sich mittlerweile verselbstständigt. Die Erzeuger haben daher kaum mehr Einfluss und das Konzept ist hinfällig.

Für mich ein ebenso absurdes Beispiel, ist der Export von Magermilchpulver. Das Fett aus der Rohmilch wird für Butter & Co. genommen, der Rest zu Pulver verarbeitet und in andere Länder verschifft. Um daraus dann wieder Milch zu gewinnen, wird Wasser und Palmfett zugesetzt… ich mein, ernsthaft? Wie schwachsinnig ist das denn bitte?

Eigentlich könnte ich dem Thema einen eigenen Artikel widmen, hier soll es aber nur ein Beispiel sein, um klar zu machen, wofür das Stadt Land Food Festival steht. Zurück zum Ursprung. Milch und alle anderen Lebensmittel sollten primär von Bauern stammen, die fair bezahlt werden und ihren Kühen eine natürliche Ernährung und Wachstum ermöglichen.

Für mehr Individualismus und weniger Macht der Mega-Konzerne

Wenn der Zusammenschluss von Bayer und Monsanto durchkommt, ist das so ein großer Schritt in die falsche Richtung, dass ich beinahe meine gute Kinderstube vergessen könnte. Diesen beiden Konzernen, die nur ihre eigenen wirtschaftlichen Interessen vertreten und vom Machtgefühl besessen sind, gehören dann 75 % des Saatgutes. Vertraglich gebundene Bauern dürfen bereits auch jetzt schon nur deren standardisiertes Saatgut verwenden. Kein Vielfalt, keine alten Obst oder Gemüsesorten mehr, alles ein Einheitsbrei.

Eine weitere Zahl: Die 5 größten Lebensmitteleinzelhändler in Deutschland beherrschen 90% des Marktes. Alles ist uniformiert, alles ist gleich und entspricht irgendwelchen DIN-Normen. Wobei ich da auch nicht alle über einen Kamm scheren will. Ich finde es gut, dass der Rewe (zumindest der bei mir) offen für kleine Unternehmen ist und Produkten wie LemonAid die Chance gibt, ein breiteres Publikum zu erreichen. Aber das Gros ist eben Masse, oftmals billig produziert und selbst regionale Erzeugnisse wie Äpfel werden aus Neuseeland importiert.

Als ich vor einer Weile in Spanien war, durfte ich die leckerste Tomate (!) in meinem Leben essen. Solche Geschmacksexplosionen würden aber auch bald der Vergangenheit angehören, wenn die Kleinbauern durch uns Konsumenten, Bewegungen und Politik nicht unterstützt werden. Und von denen erzähle ich euch jetzt 😉

Erzeuger- und Street Food Markt auf dem Stadt Land Food

Das Festival gliederte sich in zwei Teilen. Rund um die Markthalle Neun fand der Erzeugermarkt statt. Hier stellten Bauern ihr fantastischen Gemüse- und Obstsorten vor, Fleisch- und Wurstwaren konnten probiert werden und viele verschiedenen Käsesorten. Ebenso widmete sich beinahe eine ganze Straße dem Süßen.

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Wunderschön, oder?! So etwas werdet ihr einfach nicht in einem Supermarkt finden, sondern nur beim Bauern. Der Stand ist übrigens ständiger Partner der Markthalle Neun. Sprich, diese Wunderwerke der Natur könnt ihr DI, FR und SA auf dem Wochenmarkt kaufen.
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Wie unterschiedlich sie alle aussehen 🙂 und garantiert 1.000 Mal geschmackvoller als ihre genormten Pendants.
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Die Leberwurst war super lecker! Hier dürfen die Schweinchen noch draußen artgerecht aufwachsen und das schmeckt man einfach auch!
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Stullen sind ja wieder arg im Kommen, vor allem, wenn sie so reich belegt sind.
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Tolle Kombination aus Backmischungen mit natürlichen Zutaten und der Historie Berlin. Jedes Glas erzählt die Geschichte des jeweiligen Ortes in Berlin.
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Gewürzmischungen kann man auch von Konzernen kaufen oder man wählt den Händler aus Berlin und stärkt die lokale Wirtschaft.
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Ich liebe Senf ja sehr und das Foto zeigt nur eta 1/3 der Senfsorten. Die Sorten sind kreativ und richtig lecker.

 

Der zweite Bereich widmete sich Essensständen aka. Street Food und einigen Spirituosen. Die Auswahl ist ziemlich groß und abwechslungsreich – was ich aber am interessantesten fand, waren alle Stände die von oder mit Flüchtlingen. Essen verbindet Kulturen so wunderbar miteinander, dass ich den Bereich noch mal hervorheben möchte.

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Hawaash ist ein Gastronomieprojekt, das sowohl kulinarische Einflüsse von geflüchteten und nicht-geflüchteten Menschen vereint. Man findet sie auf Street Food Märkten, Pop Up Restaurants & Co.
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Der vegane Taco von Hawaash war sensationell lecker. So viele Aromen in einem Gericht sind fantastisch – unbedingt ausprobieren!
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Mohammad and Mallake mussten ihre Heimat verlassen und verköstigen uns nun mit „Levante Gourmet“ mit ihren syrischen Spezialitäten. Was gibt es schöneres als ein anderes Land über Essen & Trinken zu entdecken?!
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Mr. Susan und ihr Mum, die bereits in den 70er Jahren aus Südkorea nach Deutschland kam und maßgeblich daran beteiligt war, dass die koreanische Küche Einzug in Deutschland erhielt. Nun bieten die beiden primär selbst gemachtes und richtig leckeres Kimchi an!
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Kanaan steht in Berlin nicht nur für grandioses Hummus, nein es gibt auch ein Gewürz-Projekt, das Flüchtlinge und Jugendliche aus sozial schwachen Familien zwischen 16-20 Jahre zusammen führt.

Sooo, eins hab ich noch 😉 Das Stadt Land Food Festival ist halt einfach sehr umfangreich und alle Bereich verdienen es, kommentiert und vorgestellt zu werden, um euch, die vielleicht noch nichts davon gehört haben, neugierig zu machen!

Die Werkstätten in der Martkhalle Neun

Hier wurde Kaffee geröstet, Käse, Wurst und Brot produziert und Gemüse fermentiert. Die kleinen konnten selbst Nudeln herstellen und lernen, dass ihr Lieblingsgericht nicht aus einer schnöden Verpackung kommt.

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In der Käse-Werktstatt wurde Käse selbst produziert und gezeigt wie aus der flüssigen Milch ein fester Käse entsteht.
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Das Team von Kumpel & Keule hat gezeigt, das Fleisch von einem Tier stammt und nicht fertig gepresst im Kühlregal rumliegt. Die fertige Wurst wurde draußen am Stand zubereitet und wer wollte, konnte sie ganz frisch probieren.
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Alle Kinder lieben Pasta, aber wie entsteht sie eigentlich? Den Kindern wurde genau das gezeigt. Am Ende konnten die Kleinen ihre Pasta auch selbst essen.
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Habt ihr schon mal frischen Honig inkl. der Waben gegessen? Unfassbar lecker!

Fazit

Vielen lieben Dank!

An alle, die dieses Event ermöglicht haben. An alle, die sich am ersten Tag von Regen und Kälte nicht haben abschrecken lassen. An alle, die sich zum ersten Mal tiefer auf das Thema Ernährung eingelassen haben. An alle, die sich in welcher Form auch immer, auch nach dieser Zeit für eine Veränderung einsetzen.

Niemand verlangt, dass ihr euere Gewohnheiten von heute auf morgen radikal verändert. Aber am Ende bestimmt die Nachfrage das Angebot. Vielleicht fangt ihr ganz klein an und kauft nur noch Fleisch vom Bauern oder Brot- und Backwaren von kleinen Handwerksbäckern. Das wäre doch schon mal ein Anfang 🙂


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