Inspiriert durch einen Vortrag auf der re:publica diesen Jahres, möchte ich dem Thema etwas mehr Aufmerksamkeit widmen. Zwar habe ich einen wirklich ausgeprägten Faible für den Lebensmitteleinzelhandel, aber die Info habe ich mir bislang tatsächlich einfach nicht bewusst gemacht. Der Vortrag von Felix Hartenstein (vom Institut Wirtschaft & Stadt) nannte sich „Vom Online-Buchhändler zum Städtebauer – Amazons neue Rolle als Urban Player“ und ist grundsätzlich wahnsinnig empfehlenswert. In einem Nebensatz erwähnte Hartenstein, warum gerade Supermärkte kostenloses WLAN für sich entdeck(t)en.
Einst wurde alles dafür gegeben, um das Internet aus dem stationären Handel fernzuhalten
Ich erinnere mich noch an eine Zeit als Medien titulierten, dass Elektronikfachmärkte Störsender in ihren Läden platzierten, um potenzielle Käufer auch wirklich in Konsumenten zu konvertieren. Kein Internet, kein Preisvergleich vor Ort – ergo die Kunden waren eher dazu geneigt, direkt im Laden zu kaufen. Das ewige Nachrecherchieren von Preisen, um dann doch wieder im Laden zu stehen und das Gerät erneut zu testen, dauerte dann doch einfach zu lange. Inzwischen änderte sich die Einstellung und es wurden Preisversprechen verkündet. „Online günstiger gefunden, dann Geld zurück“ oder so ähnlich lauteten die Slogans. Hätten die Fachhändler mit ihren riesigen Stores gewusst, was ihnen da alles entgangen ist, in dem sie nicht gleich kostenloses WLAN angeboten haben… Aber es geht hier natürlich nicht um Elektronikfachmärkte, sondern vielmehr um Supermärkte.
Der Tacking-Wolf um WLAN-Schafspelz
Auf den ersten Blick scheint es ein netter Service zu sein. WLAN in Supermärkten? Großartig! Apps wie Codecheck können problemlos genutzt werden. Auch die digitale Einkaufsliste muss nicht mehr vorm Laden gescreenshottet werden. Es wirkt irgendwie modern, wenn auch ein paar Jahre zu spät. Aber hey, ein Schritt in die richtige (digitale) Richtung.
Aber hast du dich mal gefragt, was der eigentliche Nutzen ist? Ich mich bis zum Vortrag von Hartenstein leider nicht. Das kostenfreie WLAN – und zwar egal, ob man sich dort einloggt oder nicht – trackt permanent mit, wo du dich gerade wie lange im Geschäft aufhältst. Wie funktioniert das? Dein Smartphone schickt ständig einen Ping ab, um das nächste kostenlose WLAN zu finden. Es pingt und pingt und pingt. Es pingt deine Position. Es pingt deine Verweildauer. Es pingt deine Bewegungsdaten. So wechselt der nette Service in ein eher mulmiges Gefühl, oder?
Amazon als Vorbild für deutsche Supermärkte
Der ehemalige Online-Buchhändler zeigt wie es geht. Ob der Kauf des Bio-Supermarktes Whole Foods, eigene Geschäfte oder Popup-Stores, die jedoch alle wie eine Art Leuchtturmprojekt zeigen sollen, wie die Digitalisierung das tägliche Einkaufen vereinfachen kann. Doch auch hier gibt es zwei Seiten der Medaille – klar, wir sprechen hier ja auch von einem Megakonzern, deren Gewinnquelle zu etwa 3/4 aus den Einnahmen vom eigenen Cloudanbieter AWS stammen. Amazon digitalisiert das Einkaufen aber eben nicht nur, um dir das Einkaufen zu erleichtern, sondern primär um Nutzerdaten zu erhalten. Da sind die Bewegungsdaten im Shop nur ein Teil des Ganzen (mehr im Video). In Deutschland ist mir aktuell nur REWE bekannt, die gratis WLAN anbieten. Es wird sicherlich nicht lange dauern, bis andere nachziehen.
Meine Meinung dazu? Ganz ehrlich, bei mir schlagen zwei Herzen. Aus Marketingsicht finde ich es extremst spannend auf Basis dieser Daten noch besser zu verstehen, wie ich (m)einen Supermarkt weiter optimieren kann. Aus privater Sicht war ich durchaus überrascht, verwundert, ja, ich war wirklich irritiert – zumindest hatte ich sofort das Verlangen einen Artikel zu schreiben, um die Infos weiterzutragen.
Wer sich den kompletten Vortrag von Hartenberg auf der re:publica ansehen möchte: