Lange Zeit fehlten den Lieferdiensten namens Lieferheld oder Lieferando Glanz & Gloria. Dank foodora und Deliveroo scheint es wieder cool zu sein, sich Essen nach Hause liefern zu lassen. Das liegt vor allem auch an den teilnehmenden Restaurants, die wunderbare Gerichte anbieten, weit entfernt von dem eher trashigen Aromenhaufen, den man früher gewohnt war.
Lieferservice – Es ist nicht alles Gold, was glänzt!
Was für den Konsumenten eine Bereicherung für seine Bequemlichkeit ist, ist für die Menschen auf der anderen Seite nicht immer ein Zuckerschlecken. Sind die Restaurants nah genug, steht innerhalb von 20 Minuten der Lieferboy vor der Tür und bringt frisches, warmes Essen. 20 Minuten! Burger King treibt es in manchen Gebieten und einer entsprechenden Wohnnähe zum Fast Food Store noch weiter auf die Spitze und liefert das Essen innerhalb von 8 Minuten*.
Die Sache mit der Provision
Ob Burger King, der Pizza-Laden um die Ecke oder das Lieblingsrestaurant – die meisten Bestellungen werden über Mittlerportale wie Lieferando, Pizza.de, Lieferheld oder eben foodora und Deliveroo abgewickelt. Und die Leute dort wollen natürlich auch ihr Stück vom Kuchen abhaben. Dies geschieht über eine Provision, die nicht öffentlich einsehbar ist. Warum? Weil sie individuell vereinbart wird. Entscheidend ist wohl die Macht des Gastronomen. Kleinere sind froh aufgenommen zu werden und erhoffen sich Abstrahleffekte auf den regulären Restaurantbetrieb. Größere und gesetzte Locations werden es eher als lukratives Zusatzgeschäft sehen.
Klassiche Lieferportale verlangen zwischen 10-30% Provision
Nach eigenen Angaben werden bei Lieferando 10%, bei Lieferheld 12% Provision fällig.* Hier ist allerdings lediglich die Vermittlung zwischen hungrigem Verbraucher und sättigendem Restaurant mitinbegriffen. Die Fahrer müssen selbst gestellt werden. Restaurants brauchen bzw. haben bereits einen eigenen Lieferservice und holen sich über die Portale mehr Aufmerksamkeit und neue Bestellungen rein. Lieferando bietet für ganze 30% Porvision auch an deren Fahrer zu nutzen und über sie ausliefern zu lassen. Eine große Rechnerei – denn am Ende brauchen die Gastronomen ja auch noch einen Gewinn, um sich selbst über Wasser zu halten.
Foodora nimmt 30-35% Provision
Deliveroo macht keine weiteren Angaben, foodora beziffert ihn auf 30-35%, denn die Fahrer sind immer inbegriffen. Diese halten sich in bestimmten Bezirken auf und warten auf den nächsten Auftrag. Anschließend düsen sie erst zum Restaurant, holen das Essen ab und bringen es anschließend zum Konsumenten.
Was bleibt für die Gastronomen übrig?
Dank diverse Koch-Coachingsendungen wissen viele, dass Speisen etwa zum dreifachen Wert des Wareneinsatzes angeboten werden. Diese Spanne ist wichtig um Personal-, Marketing- und Mietkosten zu zahlen. In der Allgemeinen Hotel- und Gastronomie-Zeitung berichtet ein Stuttgarter Gastronom, dass bei ihm 6 EUR übrig bleiben, wenn ein Gericht für 8,50 EUR über foodora bestellt wurde. Hinzu kamen neue Kosten, denn das Verpackungsmaterial brauchten sie vorher einfach nicht. Setzt man den weiteren Berechnungsschlüssel an, dürften die Zutaten im Einkauf nur bei 1,00 – 2,00 EUR liegen, damit alle Kosten einkalkuliert und gedeckt werden. Ein Gewinn ist dann noch nicht inbegriffen.
Die verlangte Provision von etwa 30% ist durchaus nachvollziehbar, denn die Fahrer dürfen auch nicht unterm Mindestlohn bezahlt werden, trotzdem rechnen sich die Kosten nicht für alle Gastro-Locations.
Dennoch bleibt die Frage, wie zukunfstfähig diese Form des Lieferservices bleibt?
Im Prinzip dürften die Provisionen nicht höher als 10-15 % liegen, damit wenigsten ein kleiner Gewinn übrig bleibt. Die Preise selbst lassen sich nur schwer erhöhen, da die Kundschaft überwiegend sehr feinfühlig geworden ist (bzw. auch schon immer war) was die Preise angeht. Wenn man als Restaurant nicht hocheffizient arbeitet und den Lieferbereich entsprechend einplant in die Abläufe und die Gesamtkalkulation, dürfte es schwierig werden.
Initiative für bessere Arbeitsbedingungen
In Berlin hat sich jüngst eine Bewegung aufgetan, die sich als Interessensvertretung zusammen mit der Gewerkschaft FAU (Frei ArbeiterInnen Union) für bessere Arbeitsbedingungen für Fahrer von foodora und Deliveroo einsetzt. Mehr Transparenz, fairere Bezahlung, bessere Arbeitsaustattung. Die Forderungen klingen plausibel, allerdings dürfte es die Gesamtkalkulation durcheinander bringen. Fraglich wer die Zusatzkosten trägt? Geht es vom Gewinn ab oder werden die Kosten umgelegt auf die Restaurants oder Konsumenten?
Holt euch euer Essen doch selbst ab!
Auch interessant ist die Variante des „Pick-Ups“, bei dem Konsumenten zwar über Lieferdienstapps bestellen, aber selbst zum Restaurant fahren, um es abzuholen. Die Option scheint aber eher für Leute zu sein, die auf dem Weg nach Hause genau wissen, was sie haben wollen und eben kurz noch dran vorbei fahren können. Das mag für einen Teil relevant sein, erfordert aber auch ein Umdenken in der Nutzung dieser Dienste. Denn das Essen kommt dann nicht mehr zu mir, sondern ich hole es. An sich ein interessanter Gedanke, aber dennoch bleibt abzuwarten wie gut sich das durchsetzt. Und noch ist es nur ein Vorteil für den Verbraucher, der dadurch die Lieferkosten spart, für den Gastronom bleibt die Provision gleich – obwohl die Kosten für die Fahrer wegfällt.
Vielleicht sind die Ghost-Restaurants ein gangbarer Weg für die Zukunft?!
Ghost-Restaurants sind Locations, in denen Gerichte zwar zubereitet und gekocht werden, in denen es aber weder Sitzplätze noch Gäste gibt. Die Restaurants verkaufen ausschließlich über Lieferservice-Apps. Dadurch bleiben die Personalkosten gering und es braucht auch nur die Fläsche angemietet zu werden, die man fürs Kochen benötigt. Der Trend, der sich gerade an der Ostküste der USA breit macht, hat somit jedoch nichts mehr mit der klassischen Gastwirtschaft zu tun. Es sind eigentlich nur Großküchen im neuen Gewandt, denn die ganze Atmosphäre zwischen Gästen, Location & Gastronomen geht verloren. Dafür ist die Qualität deutlich besser als man sie gemeinhin von Großküchen kennt. Und ja, für die Lieferservice-Sektor scheint es tatsächlich eine Möglichkeit zu sein, Gerichte preisgünstig anzubieten und trotzdem profitabel zu bleiben.
Roboter als Lieferanten
Eine andere Option, um einen Teil der Kosten zu senken, sind Roboter und Dronen. Bereits jetzt testet der Pizza-Lieferdienst Domino’s eine solche Auslieferung in Großbritannien. Die Kosten für die Fahrer sinken erheblich, denn sie existieren praktisch nicht mehr. Dadurch kann wiederum die Provision geringer angesetzt werden, wodurch die Kalkulation für die Gastronomen mit einem „richtigen“ Restaurant wieder rentabler ausfallen dürfte. Allerdings wird es wohl noch eine Weile dauern, bis sich der Trend flächendeckend in Deutschland entfaltet.
Fazit
Das ganze Segment der Lieferdienste ist mächtig in Bewegung gekommen und wird sich in nächster Zeit weiterhin stark verändern. Die neuen Anbieter, die einst als cooles StartUp angefangen haben, müssen sich professionalisieren und für faire (Arbeits-) Bedingungen sorgen. Es genügt immer schon ein Blick in die USA, die UK, Japan oder Australien, um zu sehen, was wahrscheinlich auch auf uns zu kommen wird. Wichtig finde ich vor allem den Blick auf die Gastronomen, die am wenigsten darunter leiden sollten. Die Branche hat es meistens eh schon schwer genug, wenn dann noch abzockende Mittler dazu kommen, macht es am Ende auch keinen Spaß mehr. Auf der anderen Seite (das soll nicht unerwähnt bleiben) gibt es natürlich auch die Erfolgsgeschichten, die dank der Lieferdienste wirklich neue Kunden gewinnen konnten.
*Die Zahlen stammen von einem Artikel in der Allgemeinen Hotel- und Gastronomie-Zeitung (AGHZ), Ausgabe 11/ 2017