Was sollte beachtet werden, wenn man einen gastronomischen Betrieb eröffnen möchte? Wie haben es erfolgreiche Gastronomen geschafft, ihre Location zu etablieren? Warum gibt es eigentlich so wenige Frauen am Gastro-Himmel? Welche Vorteile bringt die Digitalisierung der Geschäftsabläufe? Wie wichtig ist Social Media für mein Unternehmen?
All diese und noch viel mehr Fragen und Antworten gab es auf dem diesjährigen Gastro-Gründertag. Viele Junggastronomen und solche, die es werden wollen, versammelten sich am 16.10. im Data Space by SAP in Berlin Mitte. Im Vordergrund stand der Austausch an Erfahrungen, entweder im direkten Gespräch oder aber als Vorträge und Diskussionen auf der Bühne. Alle Sessions waren sehr kurzweilig – nicht eine Sekunde war ich geneigt zu gähnen oder die oftmals aufkommende Müdigkeit mit Kaffee aufzuhalten. Um euch all die Infos des Tages zu erzähhlen, hätte ich Steno schreiben müssen, daher kommen hier unsere 10 Tipps!
Welche Tipps gab es von den Profis auf dem Gastro-Gründertag?
1.) Unser Liebling: Leidenschaft
Beginnen wir mit einem Tipp, den wir zu 100% unterschreiben können. Leidenschaft ist das A und O für jegliche Form der Selbstständigkeit, auch bzw. gerade innerhalb der Gastronomie. 16-Stunden-Tage sind keine Seltenheit und die übersteht man nur, wenn man komplett überzeugt ist von seiner Idee.
Leidenschaft spiegelt sich auch im Umgang mit den eigenen Gästen wider. Stellt euch vor, ihr veranstaltet ein Dinner bei euch in den eigenen vier Wänden. Ihr seid ständig besorgt, ob jeder noch genug zu trinken hat, es zu warm oder kalt ist, es allen schmeckt etc. – so sollte auch die Einstellung im Restaurant sein. Wer noch glaubt, das Arroganz und Missachtung besonders hip und cool ist, hat leider den Knall nicht gehört.
2.) Aller Anfang ist schwer
Leidenschaft ist euch gegeben? Prima! Dann ist der wichtigste Grundstein gelegt. Interessant fand ich die Erkenntnis auf dem Gastro Gründertag, dass eigentlich alle erfolgreichen Gastronomen ein Konzept entwickelten, indem sie sich selbst total wiedergefunden haben. Es regiert weniger das Reißbrett, entscheidend ist die eigene Überzeugung und Persönlichkeit, die sich in den Unternehmen finden. Überspitzt gesagt, sind es rein egoistische Locations, die zufällig auch beim Rest der Bevölkerung gut ankommen.
Auch schien man sich einig im Hinblick auf die Frage der Vorbereitung. Aufschreiben hieß hier die Devise. Alle Ideen, alle Gedanken und seien sie noch so klein, wurden von fast allen zu Papier gebracht. In wie weit man sich mit diesen Schriften fortlaufend beschäftigt, sei dabei nicht ausschlaggebend. Es ist vielmehr die gedankliche Auseinandersetzung, die den Mehrwert bringt. Billy Wagner vom Nobelhart & Schmutzig hat in ganze 40 Seiten alles definiert, was es zu definieren gibt… vom Kugelschreiber bis zum Lebensmittellieferanten.
3.) Einfachheit durch Digitalisierung
Der digitale Fortschritt macht natürlich auch nicht vor der Gastronomie halt. Im Gegenteil, es ist einer der Branchen, die sehr umfänglich auf digitale Angebote zurückgreifen kann. Selbst, wenn man persönlich (noch) nicht viel damit anfangen kann, so ist zumindest aus Kundensicht erforderlich sich damit auseinander zu setzen.
Es beginnt mit so etwas simplen wie bargeldloses Bezahlen. Nachweislich steigert es den Umsatz um ein Vielfaches, bietet man die Bezahlung per Kredit- und EC-Karte an. Selbst die Bezahlung per Bitcoins schreitet (zumindest in Berlin) immer weiter voran. Kassensysteme wie Orderbird, die sich auf das Handling via iPad spezialisiert haben, vereinfachen den Umgang, das Anlernen und die Auswertung von Bezahlvorgängen. Digitale Buchungssysteme wiederum ermöglichen es Gästen, unabhängig von Öffnungszeiten, Reservierungen vorzunehmen.
KFC arbeitet zum Beispiel in den USA mit einem Virtual Reality Programm, das zukünftige Mitarbeiter die Zubereitung der Speisen als „Trockenübung“ beibringt. Spart die Einarbeitungszeit in den Restaurants selbst und sorgt dafür, dass weniger falsch zubereitete Gerichte im Müll landen!
Auch wenn das Wort Convenience im Zusammenhang mit der Gastronomie eigentlich eher negativ behaftet ist, so zählt im Rahmen der Digitalisierung der „Convenience-Mehrwert“ für den Endkunden.
4.) Trail & Error
Noch immer ist Scheitern in Deutschland ein Tabu, dabei zeigt ein Blick auf den Leistungssport, dass es meist die größte Motiviation und Lernkurve mit sich bringt. Sportler, die scheiterten, analysieren genau, was schief ging und arbeiten konsequent daran, diese Fehler auszumärzen. Dies gilt im Keinen, wie im Große auch für die Gastro-Landschaft. Nichts ist in Stein gemeißelt und sollte iterativ weiter entwickelt werden.
Ein besonders schönes Konzept für jede Menge Trail & Error gibt es seit einiger Zeit in Köln. Im Laden Ein können sich Jung-Gastronomen für 14 Tage einquartieren und sich selbst ausprobieren. Da wird ganz schnell klar, ob es einem wirklich Spaß macht 16 Stunden am Tag zu arbeiten. Durch die echten Gäste, erhält man sofort Feedback zu seinem Food-Konzept. Man kann Abläufe testen und seine eigene Wirkung auf das kulinarisch-neugierige Publikum. Sicherlich ist das „Laden Ein“ nicht für jeden gedacht, aber dennoch eine tolle Möglichkeit sich selbst auszuprobieren. Die Bezahlung läuft übrigens über einen prozentualen Anteil des Umsatzes.
5.) Unterstützung holen
Falls ihr Gründer seid und das Gefühl habt, Hilfe zu brauchen, so geht gerne auf erfahrene Gastronomen oder Verbände zu. Alle signalisierten Offenheit diesbezüglich, natürlich immer so lange es im Rahmen bleibt 😉 Interessante Adressen sind zum Beispiel der Food Entrepreneurs Club, ETL Adhoga, Frauennetzwerk Foodservice, TNC Group oder der Feminist Food Club (gibt es aktuell nur als Gruppe auf Facebook).
6.) Weg mit dem Einheitsbrei
Steffi vom Food Entrepreneurs Club hat es mit dem Avocado-Stullen-Beispiel in Berlins Frühstückslocations ganz gut auf den Punkt gebracht. Avocados, Bowls und Burger regieren die (Berliner) Gastroszene. Skandinavisches Interieur hat den Wohnzimmer-Flohmarkt-Style abgelöst und scheint zum guten Ton bei einer Eröffnung zu gehören. Aber ist das wirklich so? Wo bleibt der Wille zu etwas Neuem? Niemand braucht den 30. Burgerladen mit einem erneut total witzigen Burger-Wortspiel. Geht auf Reisen, holt euch Inspiration und seid keine Copy-Cat.
7.) The Future Is Female
Frauenpower! Wir sind selbst zwei Ladies und wissen, dass es nicht immer leicht ist, sich durchzusetzen und vor allem ernst genommen zu werden. Der „Niedlichkeitsfaktor“ wie es Sophia Hoffmann beschrieb, kann für Frauen Türöffner und Hürde zugleich sein. Frauen neigen dazu zurückzustecken und wollen meist nicht auf Teufel komm raus ihren Willen durchsetzen. Sie sind feinfühliger und nehmen auch die Bedürfnisse ihrer Mitmenschen, ihrer Umwelt eher wahr als Männer.
Anstatt sich gegenseitig anzufeinden, sollte man die beidseitigen Vorzüge stärker nutzen. Eine Thematik über das sich ganze Bücher schreiben ließe. Am Ende muss an beiden Seiten gearbeitet werden. Männer dürfen sich nicht als unfehlbar und das Non-Plus-Ultra halten, aber Frauen müssen auch lernen, sich durchzusetzen und zu promoten.
Schön fand ich die Aussage von Cynthia Barcomi, die lieber Teil einer Lösung anstatt eines Problems sein will… unabhängig ihres Geschlechts. Eine tolle Einstellung!
8.) Wandel der Food Courts
Wie oben bereits erwähnt, gleichen sich Speisen und Einrichtung unterschiedlicher Gastro-Locations immer mehr an. Dabei spürt man als Gast ziemlich schnell, ob es gewollt kopiert oder vom Herzen kommt. Interessant war der Vortrag von Danial da Rocha, der bei Unibail-Rodamco arbeitet und sich mit Konzepten für Food Courts in Malls auseinander setzt.
Integration und Verknüpfung von Gast, Essen und Koch sind die drei Bereiche, die aus seiner Sicht zukünftig neu aufgesetzt werden sollten. Menschen sollen und wollen sehen, fühlen, riechen wie ihr Essen zubereitet wird. Dies zeigt sich auch in den neuesten Supermarkten, die eher an einen Street Food Markt oder einer Markthalle erinnern. Gleiches könnt ihr euch zu Eigenen machen. Essen, das erlebbar ist, offene Küchen und Transparenz bzgl. der Lebensmittelherkunft lassen sich in verschiedenen Formen konzeptionell integrieren und schenken dem Gast Vertrauen.
9.) Abgucken von den Etablierten
Dabei ging es vor allem um die Systemgastronomie. Die Frage, ob man skalieren möchte oder sich voll und ganz auf eine Location konzentriert, muss jeder für sich selbst beantworten. So oder so, steigt der administrative und personelle Aufwand, um so größer man wird. Also macht ein Blick auf die ganz großen Player durchaus Sinn. Wie schaffen große Systemgastronomen am Markt zu bleiben? Wie gelingt es höchst effiziente Abläufe und Prozesse zu etablieren? Das klingt jetzt nach Behördenschnack, aber es ist auch nicht alles schlecht, was die Großen so machen. Und was interne Prozessoptimierung angeht, so ist es auch nicht schlimm zur Copy-Cat zu werden 😉
10.) Social Media Macht
Mit Social Media meine ich jetzt nicht die gekauften Bewertungen im 100er-Pack für Google, Facebook, TripAdvisor & Co., sondern echte digitale Kommunikation. Während früher Journalisten, Bücher oder auch einfach die Empfehlung von Freunden und Familie das Maß der Dinge war, so verzichtet man heutzutage auf ein vielfaches an PR, wenn man sich weiterhin nur darauf konzentriert. Facebook hat 31 Millionen, Instagram 15 Millionen Nutzer in Deutschland. Keine anderen Plattformen, kein anderes Medien verfügen über eine solch hohe potenzielle Reichweite. Diese gilt es sich zu eigen zu machen. Neben eigenen Inhalten, sollte auch der Blick auf die werblichen Möglichkeiten nicht verachtet werden. Wer hier Unterstützung braucht, kann auch gerne auf uns zukommen. Neben unseren Blogs arbeiten wir nämlich als Freelancer im Bereich Online Marketing 😉