Europas größtes Event rund um Veganismus und Tierschutz rundet dieses Jahr! Es feiert 2017 sein 10-jähriges Jubiläum. Seit einem Jahrzehnt findet das vegane Sommerfest auf dem Alexanderplatz in Berlin Mitte statt. Auch wenn man als Berliner häufig genervt davon ist, dass der Alex eigentlich nie ohne Büdchen, Stände und Feste auskommt, so finde ich es bei dieser Veranstaltung (eigentlich) enorm wichtig diesen Ort zu wählen.
Viele U-Bahn-, S-Bahn- und Tram-Linien laufen an diesem Verkehrsknotenpunkt zusammen und bringen entsprechend viele Leute an den Ort. Wer nicht mit Scheuklappen oder dem Kopf Richtung Handy-Display gesenkt durch die Weltgeschichte rennt, kommt also automatisch mit dem veganen Sommerfest in Berührung. Die Wahrscheinlichkeit ist also sehr hoch, dass der ein oder andere bekennende Fleischesser sich doch mal dazu ermutigt, sich zumindest kulinarisch an einem der vielen Food-Stände auszuprobieren.
Das vegane Sommerfest – Lob, aber auch Kritik!
Eigentlich wollte ich einen positiven Artikel schreiben, lobend einige Macher vorstellen, dazu aufrufen, dieser Ernährungsform offener gegenüber zu stehen und je nach Möglichkeit, das vegane Sommerfest zu besuchen. Als ich aber vor Ort war, wankte mein Frohmut zunächst… bis er irgendwann kippte.
Aber starten wir mal mit den positiven Dingen. Beinahe jedes Jahr schaue ich auf dem veganen Sommerfest vorbei und erfreue mich darüber, dass das Event wächst und gedeiht. Dass zumindest augescheinlich immer mehr Menschen das Fest besuchen, gefällt mir ebenso, wie der Mix der Leute vor Ort. Ob jung, alt, dick, dünn, weiblich, männlich, arm oder reich – es scheint irgendwie alle neugierig zu machen.
Aufklärung top, Kleidung top, Kochshows top!
Auch die vielen Organisationen wie zum Beispiel PETA ZWEI und Sea Shepherd oder auch das Tierschutzheim Berlin haben einen Stand und klären auf. Wunderbar!
Vegane Kleidung und vegane Schuhe zeigen, dass ein komplett veganer Lebensstil nicht nach Jesuslatschen aussehen muss. Im Gegenteil, es gibt echt coole stylische Kleidung.
Toll sind auch die Kochshows, die auf dem veganen Sommefest stattfinden und zeigen, das vegane Gerichte leicht daheim nachgekocht werden können. Wenn Menschen etwas sehen und zugucken können, ist es eben auch immer glaubwürdiger. Zudem wurde bspw. gezeigt, wie einfach (und günstig) Pflanzenmilch auf Basis von Nüssen produziert werden kann oder aber, das Obst und Gemüse mit leichten Dellen oder Verformungen trotzdem noch bestens geeignet ist, um Gerichte daraus zu kochen.
Mir gefiel auch, dass in dem Vortragszelt so viele Leute saßen und den Diskussionen und Informationen lauschten. Genau daneben hatte man die Möglichkeit einem Veganer Fragen zu stellen – eine Art veganes AMA (ask me anything) im Real Life.
Auch fehlten mir die kleinen Produzenten, die Mirco-Anbieter. Es gab bspw. mal einen kleinen Stand, der Kekse verkaufte. Ganz unspektakulär lagen die Sorten in Frischhalteboxen aus und die gekaufte Ware wurde in Butterbrotpapier ausgegeben.
Sprich, an sich finde ich den Grundgedanken des veganen Sommerfestes super… nur die Umsetzung haperte zum Teil. Das war zwar auch in Ansätzen in den vergangenen Jahren so, aber dieses mal war das Fass übergelaufen.
Fast Food, Zucker und Kommerz
Ich weiß nicht, ob ich zu kritisch bin, aber nachdem ich etwa 3-4 Mal über die Fläche gelaufen bin, wurde meine Euphorie getrübt. Burger hier, Pommes da, sogar ein Craft-Beer-Stand verirrte sich auf das Gelände… ich mag Craft Beer total gerne, so ist es nicht – aber seien wir mal ehrlich, das war doch nur Geldmacherei! Und klar, vegane Burger sind toll (ich liebe die von Vincent Vegan sehr), genauso wie vegane Döner, vegane Waffeln, veganer Kuchen, veganes Eis – was mir jedoch fehlte, waren annähernd gesunden Sachen. Es fehlte mir die Vielfalt und die gibt es, wenn man sich mal ernsthaft mit veganer Ernährung auseinander setzt.
Warum wurden die veganen Gerichte so eindimensional positioniert?
Wo war das vegane Essen, dass nicht imitiert, sondern sich als eigenständige Küchenrichtung positioniert. Das nicht in Form von Fast Food präsentiert wird, sondern zeigt, welche Power & Kreativität Pflanzen haben können. Das Berliner Restaurant The Bowl war einer der ganz wenigen Stände, der mit Nicht-Fast-Food-Gerichten an den Start ging. Zwischendrin gab es zwar noch einige afrikanische Stände, die aber in der Masse auch irgendwie untergegangen sind und zum Teil nur deren heimisches Fast Food namens Falafel angeboten haben.
Preisaufschlag für Personalkosten und Standmiete
Der Bio-Energy-Drink von Attila Hildmann namens Daishō konnte zum „Schnäppchenpreis“ von 4,50 EUR gekauft werden. 4,50 EUR für einen halben Liter! Im Reformhaus oder Bioladen steht das gleiche Getränk für 2,99 EUR. Der Herr am Stand meinte, man müsse die Stand- und Personalkosten wieder reinkriegen, außerdem sei der Drink nahezu überall ausverkauft – klar, das berechtigt natürlich einen Aufschlag von 1,51 EUR. Auch hier muss ich erwähnen, dass ich die Rezepte und Bücher von Attila Hildmann großartig finde.. es ist kein Bashing gegen eine Person, die ich nicht mag – im Gegenteil! Aber sowas geht halt einfach nicht.
Aber der Drink war nicht das einzige Produkt, das teurer angeboten wurde. Da ich mich überwiegend vegan ernähre, kenne ich die Preise für einige Produkte. Sachen die es bspw. im Bio-Laden für 2,79 EUR, gab es auf dem veganen Sommerfest für günstige 3,00 EUR. Soll eine solche Veranstaltung nicht Menschen ermutigen Produkte auszuprobieren? Auf anderen Events und Messen gibt es für gewöhnlich Preisnachlässen, nicht Preisaufschläge.
Es gab natürlich auch Gegenbeispiele, wie das Berliner Unternehmen Simply Raw, dass immerhin 4 Riegel für 6 EUR angeboten hat (Normalpreis liegt bei 1,79 EUR pro Stück). Auch die Gründer von Pumpin Panda gaben ihrer veganen, eiweißhaltigen Schokolade einen Nachlass von 29 Cent. Nicht die Welt, aber hey, mein Wille auch etwas positives zu schreiben soll deutlich werden 😀
Einer noch: Der vegane Honig!
Zum Schluss zog noch ein Stand mit veganem Honig meine Aufmerksamkeit auf sich. Veganer Honig? Nun gut, dachte ich mir, schauen wir doch mal, welche Inhaltsstoffe sich darin verbergen. Ich weiß nicht, was ich erwartete, aber als ich dann Wasser und Zucker an den ersten beiden Stellen der Inhaltsstoffliste las, gab es mir den Rest 😉 Es ist nicht mehr und nicht weniger als aromatisiertes Zuckerwasser, das überraschender Weise auch wirklich den Geschmack und Konsistenz von Honig hinbekommt. Aber wozu? Agavensirup, Apfelsüße, Dattel- oder Reissirup sind natürlichen Ursprungs und können ebenso als Belag aufs Brötchen geschmiert werden… ganz ohne Aroma & Co..
Wer organisiert das vegane Sommerfest eigentlich?
Okay, das überraschte mich jetzt noch mal. Ich beschäftige mich gerade viel mit den Machenschaften der Lebensmittelindustrie und es hätte mich jetzt nicht überrascht, wenn da irgendwelche Megakonzerne mit drin stecken. Auf der Website selbst steht: „Das Vegane Sommerfest Berlin wird vom VEBU (Vegetarierbund Deutschland), dem Tierrechtsbündnis Berlin-Vegan und der Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt organisiert.“ Hab ich den Knall nicht gehört oder diese Organisationen? Die sollten es doch besser wissen? Konnten nur diese Aussteller für eine Teilnahme begeistert werden? War die Standmiete zu hoch? Waren alle anderen potenziellen Anbieter ausgebucht? Warum schuppst Europas größtes Vegan-Event die vegane Ernährung in eine solche Richtung, die den Verzehr von Industrieprodukten mit der Aufschrift „Schmeckt wie…“ fördert?
Fazit
Eine Veranstaltung wie das vegane Sommerfest sollte seine Aufgabe doch etwas ernster nehmen und sich thematisch breiter aufstellen, Vielfalt bieten oder zumindest die Aussteller sorgfältiger auswählen. Es gab natürlich viele tolle Aussteller, die unermüdlich aufklärten und erzählten, was, wie und warum man sich vegen ernähren kann. Aber ich habe das Sommerfest leider mit einem negativen und faden Beigeschmack verlassen.
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